Wut, Frust und ein Wachdienst: So reagieren die Bauleute auf den dreisten 200.000-Euro-Raub durch Kupferdiebe im Altgefäll
Pforzheim. Wut, Schrecken und auch Trauer stehen den Männern vor Ort ins Gesicht geschrieben. „Dreist wie die Sau“, sagt Bauleiter Roland Kienzle kopfschüttelnd: „Das waren Profis.“ Wohl in der Nacht zum Montag haben Unbekannte auf dieser Großbaustelle im Gewerbegebiet Altgefäll zugeschlagen. Und wie. Mindestens zwei, vielleicht gar drei oder mehr Tonnen Kupfer haben sie nach Kienzles Schätzung gestohlen. Das Unfassbare: Die Kabel waren bereits verbaut.
Die Täter haben also offenbar gut drei Stunden lang gewerkelt und zunichtegemacht, was zuvor zehn bis 15 Arbeiter fast einen Monat lang geschaffen hatten. Die Kripo hat die Ermittlungen aufgenommen. Zum enormen finanziellen Schaden kommen logistische Herausforderungen und ein verhagelter Zeitplan für ein Großprojekt, auf das mehrere Firmen im Wortsinn bauen.
Hauptgeschädigte ist eine Elektrofirma aus der Region. Die Gesamtregie führt hier an der Hanauer Straße das Unternehmen Pfirmann Industriebau, dessen Geschäftsführer Steffen Stüber entsprechend bedient ist. 15 Millionen Euro schwer ist der vierstöckige Komplex, den Pfirmann als gemeinsame Produktionsstätte für drei lokale Firmen errichtet. In vier Wochen, sagt Stüber, wäre alles fertig gewesen. Und jetzt das. Im gesamten ersten Stockwerk haben die Täter auf 2500 Quadratmetern die Kabel mit Kupferdraht abmontiert. „Absolut professionell“, so Stüber. Mehrere Leute müssten vor Ort gewesen sein und Spezialwerkzeug eingesetzt haben. Bauleiter Kienzle und sein Kollege Michael Roller zeigen per Handyfoto, wie aus einem Verteilerkasten mächtige Kabel über Wandrinnen hoch zu den Deckenschienen liefen. Nun sind alle weg. Eine elektrische Schere sei nötig gewesen, um die Kabel unten zu kappen. Dann wurden Halterungen gelöst und das Diebesgut herausgezogen. Rinnen und Bleche sind verbogen und unbrauchbar. Auf gut 200.000 Euro schätzt die Polizei den Schaden.
Die Täter haben das in Stücke geschnittene Kupfer gar noch vor Ort abisoliert und die Ummantelung zurückgelassen, also die Müllentsorgung den Gelackmeierten überlassen. Auch Baugeräte und Werkzeuge nahmen sie mit. „Bis zur Kaffeemaschine ist alles weg“, sagt Stüber, der auch auf die emotionale Komponente verweist. „Alle Arbeit umsonst – da sieht man Elektriker, gestandene Leute, mit Tränen in den Augen.“ Gott sei Dank seien die weiteren Etagen nicht betroffen, weil sie noch besser gesichert gewesen seien. Doch auch bei diesem fast ebenerdigen Stockwerk habe man Vorkehrungen getroffen: „Beleuchtung, Bauzaun, Türen – irgendwann hört es halt auf.“ Einen Kupferdiebstahl von solcher Dimension habe er noch nicht erlebt, stöhnt der Pfirmann-Chef. Ab sofort schiebe ein Wachdienst Schicht auf der Baustelle für „eines der aktuell größten Vorhaben in der Region“, bei dem es nun gilt, die Verzögerung in Grenzen zu halten. „Kupfer in solchen Mengen kriegst du nicht von jetzt auf gleich“, weiß Bauleiter Kienzle, der mit einer Lieferzeit von bis zu vier Wochen rechnet. Wohin das gestohlene Metall wohl abtransportiert wurde? „Das geht nach Osten“, ist Kienzle sicher, „hierzulande kriegen die das nicht verkauft.“
Weitere aktuelle Fälle
Stüber will Kollegen wachrütteln. Dass Kupferdiebe eine stete Gefahr sind, zeigt ein Fall aus Dietlingen, wo laut Polizei wohl ebenfalls in der Nacht zum Montag von einem Firmengelände an der Dieseltraße Metalle im Wert von rund 15 000 Euro gestohlen wurden. Gleich zweimal drangen zudem Täter am Wochenende in das Lager einer Pforzheimer Firma an der Kanzlerstraße ein und stahlen Kabel und Metall. Der Schaden liegt im fünfstelligen Bereich.
Erst Anfang Februar hatten Unbekannte bei Steinegg am Wasserhochbehälter die kupferne Dachverkleidung abmontiert. Im Januar schlugen Täter in Bad Wildbad, Enzberg und Engelsbrand zu. 2006 und 2013 hatte die Polizei in der Region Banden von Buntmetall-Dieben überführt. Ertappt wurden Kriminelle, die im März 2012 dabeiwaren, das Kupferblech-Dach der Leichenhalle in Knittlingen abzubauen. Wenn Täter geschnappt werden, landen sie hinter Gittern. Der Chef der 2012 überführten Bande wurde vom Landgericht Mannheim zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.
Hinweise telefonisch an den Kriminaldauerdienst unter (0 72 31) 1 86 44 44, an das Revier Süd unter (0 72 31) 1 86 33 11 oder ans Revier Neuenbürg: (0 70 82) 7 91 20.
