„Am Ende muss ich entscheiden“ - Das sagt der frischgebackene TGS-Trainer über seinen neuen Job
PZ-Interview mit dem neuen TGS-Trainer Michael Rost über die Aufteilung der Verantwortung und die großen Fußstapfen von Andrej Klimovets.
Die neue Saison bringt für die TGS Pforzheim auch eine Zäsur. Sechs Jahre lang stand Andrej Klimovets als Trainer bei den Turngesellen auf der Kommandobrücke, jetzt übernimmt Michael Rost als Cheftrainer. Vor dem Start mit den Spielen um den DHB-Pokal am Wochenende in der Bertha-Benz-Halle stand der neue TGS-Coach der PZ Rede und Antwort.
PZ: Die finale Phase der Vorbereitung läuft, aber Sie sind urlaubsbedingt nicht bei der Mannschaft. Das ist natürlich nicht glücklich. Wie kam es dazu?
Michael Rost: Da bin auch ich natürlich nicht sonderlich glücklich darüber. Aber das Engagement bei der TGS war langfristig nicht abzusehen und kam auch für mich überraschend. Ich habe es den TGS-Verantwortlichen gleich gesagt, dass der Urlaub schon sehr lange gebucht ist. Aber wir gehen die Sache im Verein ja mit einem Trainerteam an. Und die TGS-Verantwortlichen haben gemeint, das funktioniert auch so.
Der Trainerstab, den Sie schon angesprochen haben, wie funktioniert das? Welche Rolle spielt zum Beispiel Florian Taafel, der als Spieler ja noch gesetzt ist und gleichzeitig auch die zweite Mannschaft der TGS betreut?
Florian und ich stehen in engem Austausch, was die Taktik anbelangt. Was wollen wir spielen? Wie wollen wir das gestalten? Wie können wir unter Umständen flexibler werden? Da stimmen wir uns eng ab, auch wenn am Ende ich entscheiden muss. Ich sitze auf der Bank und wechsle ein und aus. Die Arbeit wird aber insgesamt auf mehrere Schultern verteilt. Das ist gut angelaufen.
Zum Team gehört auch Timo Hufnagel, der in die Trainingsarbeit eingebunden ist.
Timo gestaltet vor allem die Koordinationsübungen und Fitnessübungen mit. Er gestaltet auch wesentliche Trainingsinhalte mit. Ich lege da Wert drauf, dass er eingebunden ist. Wir haben abgesprochen, was wir während meiner Abwesenheit machen wollen. Der Florian und der Timo leiten das Training und betreuen das Team auch im DHB-Pokal.
Weltmeister Andrej Klimovets hat sechs Jahre erfolgreich als Trainer in Pforzheim gearbeitet. Wie viel Respekt haben Sie vor seinen großen Fußstapfen?
Andrej hat hervorragende Arbeit hier geleistet. Er ist mit der TGS aufgestiegen, hat in der 3. Liga immer sehr gute Platzierungen erreicht. Er hat immer das Maximum rausgeholt. Ich durfte ja zwei Jahre als Co-Trainer mit ihm arbeiten. Das war immer absolut professionell, das war top. Da habe ich größten Respekt davor.
Jeder Trainer hat seine eigene Philosophie. Wo sehen Sie Unterschiede zu Klimovets, was wollen Sie anders machen?
Im Wesentlichen geht es der Vereinsführung darum, das ganze Umfeld mehr einzubinden. Deshalb auch der Trainerstab, zu dem neben Florian Taafel und Timo Hufnagel ja auch noch Michal Wysokinski und Anna Wysokinska für den Athletik- und Torhüterbereich sowie Physiotherapeut Oliver Fuchs gehören. Andrej hat immer versucht, alles alleine zu managen. Der Verein will nun versuchen, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Am Ende geht es aber darum, erfolgreich Handball zu spielen.
Andrej Klimovets wirkte für Außenstehende bisweilen etwas unnahbar. Es heißt, Sie seien ein sehr kommunikativer Typ?
Ich tausche mich mit den Menschen in meinem Umfeld viel aus. Ich will ihre Meinung hören, damit ich mir selbst eine vernünftige Meinung bilden kann. Es ist fatal, wenn jemand immer nur seine Sicht der Dinge hat. Da können viele Nuancen verloren gehen. Deshalb ist mir die Meinung der Leute im Trainerstab wichtig. Es ist also richtig, dass ich mich gerne intensiv austausche. Bewerten müssen das letztlich aber andere.
Wie lief die Vorbereitung bislang? Wie gut sind die Neuzugänge schon integriert?
Wir können zufrieden sein. Wir haben tolle Spieler hinzubekommen, haben daran gearbeitet, sie in unser System zu integrieren. Wir haben ja auch einen guten Stamm, der vergangene Saison schon erfolgreich gespielt hat. Davon ist nur Maris Versakovs weggegangen. Es wird zu Beginn noch nicht alles hundertprozentig funktionieren, aber wir sind auf einem guten Weg.
Die TGS könnte diese Saison noch besser besetzt sein als im Vorjahr. Ist mehr drin, als Platz vier? Kann man schon Richtung 2. Liga blicken?
Es wäre zu diesem Zeitpunkt vermessen, hohe Ziele auszuloben. Ich gehe immer mit dem Ziel in jedes Spiel, zu gewinnen. Ich muss aber auch realistisch einschätzen, wie gut die Chancen sind, dass das gelingt. Wenn ich eine Mannschaft habe, mit der ich an einem guten Tag jeden Gegner schlagen kann, dann will ich das auch. Das ist unser aller Ziel. Mit der Mannschaft könnte einiges drin sein. Aber Sie wissen selbst, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Ein, zwei schwere Verletzungen, dann stürzt ihr Kartenhaus schon wieder ein Stück zusammen, auch wenn wir nun mehr Alternativen haben. Wenn es gut läuft, sind wir die Letzten, die das nicht mitnehmen. Aber zunächst sind wir gut beraten, von Spiel zu Spiel zu denken.
Wer sind Ihre Favoriten für die neue Saison?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu beantworten. In den vergangenen Jahren haben immer die Zweitliga-Absteiger eine gute Rolle gespielt, so wie zuletzt Konstanz. Auch die zweiten Mannschaften der Bundesligisten waren immer stark. Den Topfavoriten sehe ich nicht. Eigentlich kann in dieser Klasse jeder jeden schlagen. Da ist für viele Mannschaften was möglich.
Vor der Liga wartet der DHB-Pokal. Ist gegen den Erstligisten Bergischer HC für Pforzheim eine Sensation möglich?
Kommt darauf an, wie wir in die Partie reinkommen. Wenn wir zu viele Fehler machen, weil die Abläufe noch nicht ganz passen, dann wird es auf diesem Niveau ganz schwer, das wird gleich bestraft. Der Bergische HC hat eine sehr gute Bundesliga-Runde gespielt. Wenn wir aber aufmerksam sind, die Fehler minimieren und lange dran bleiben können, wäre vielleicht was drin.
Sie sieht Ihre Spielphilosophie in der Abwehr aus?
Es ist bekannt, dass die TGS hauptsächlich eine 6-0-Abwehr gespielt hat. Das wird unsere Basisformation bleiben. Aber wir studieren auch alternative Formationen ein, um situationsbedingt reagieren zu können. Eine 5-1-Abwehr könnte ein Thema werden, andere Formationen auch.
Und im Angriff?
Ich bevorzuge einen attraktiven, schnellen Handball, wenn es die Möglichkeit gibt. Im positionsgebundenen Spiel müssen wir es schaffen, die gegnerische Abwehr in Bewegung zu bringen, bis wir unsere nahezu hundertprozentige Chance haben. Da brauchen wir noch ein bisschen mehr Geduld. Wichtig ist mir auch, mit der ganzen Mannschaft zu spielen, nicht immer nur die gleichen sechs, sieben, acht Spieler auf die Platte zu schicken. Da wollen wir auch gegnerbezogen die Spieler einsetzen.
Wie halten Sie es mit einem zusätzlichen Feldspieler, sei es in Unterzahl, sei es bei personellem Gleichstand?
Wir werden sicherlich nicht generell den Torhüter für einen zusätzlichen Feldspieler rausnehmen. Aber situationsbedingt werden wir da schon bisweilen reagieren.
Über Michael Rost
Er hat am 1. Juli 2019 die Trainingsleitung bei den Drittliga-Handballern der TGS Pforzheim übernommen. Der 54-jährige Ingenieur der Feinwerktechnik aus Ispringen war von 2016 bis 2018 als Co-Trainer von Andrej Klimovets für die TGS tätig – und zuvor mehrere Jahre Jugendtrainer der damaligen JSG Goldstadt. Rost stammt aus Deizisau, wo er für den TSV bis zu seinem 30. Lebensjahr in der Oberliga Württemberg (heute BWOL) aktiv war. Seine Söhne Florian und Julian spielen bei der TGS Pforzheim Handball, derzeit in der 2. Mannschaft.
